Die Erinnerung an "Zuhause" wird durch Klänge getriggert
Als professionelle Musiker:innen nehmen wir unsere Umwelt vor allem akustisch wahr – so wird auch die Erinnerung an „Zuhause“ vor allem durch spezifische Klänge getriggert. Der Klang unserer Heimatstädte hilft uns unterbewusst ständig, uns selbst zu verorten.
Um dieses Phänomen zu teilen, verbinden wir die Ensemblestücke des Programms "Displacement" durch elektroakustische Zwischenspiele. Für in Deutschland Lebende beginnt das Konzert mit vertrauten Klängen. Diese bekannte Soundscape wird im Laufe des Konzertes jedoch immer mehr angereichert mit Fieldrecordings und Alltagsklängen aus den Geburtsorten der Komponist:innen. Wir hören Aufnahmen aus Südkorea, Japan, und den USA.
Hört selbst! Wie hört sich euer Zuhause an?
Shibuya, Tokyo – Japan
Times Square, New York City – USA
Gangnam Street, Seoul – Süd Korea
Frankfurt – Deutschland
Warum vermissen wir unser Zuhause, wenn wir nicht dort sind?
Ist das Zuhause, das wir vermissen, ein bestimmter Ort oder ein abstraktes Gefühl?
Was soll "nicht zu Hause sein" bedeuten?
Kann ich mich „fremd“ in einer gewohnten Umgebung fühlen?
Was macht das „Sich fremd fühlen“ mit mir?
"Displacement" ist ein sehr persönliches Programm und wurde von unserem Komponsiten Yongbom sowie von unserer Cellistin Kyubin initiiert. Es ist ein erster musikalischer Annäherungsversuch an Themen wie Heimat, Zugehörigkeit und dem Gefühl des „Fremd-Seins“. „Heimat“ ist dabei nicht zwingend ein räumliches Phänomen. Das Gefühl der Zugehörigkeit bzw. des „displaced“-Seins ist komplex und kann ebenso unseren Platz in der Gesellschaf, unsere Spiritualität, ästhetische Vorlieben oder sexuelle Orientierung betrefen.
Ausgangspunkt hierfür sind die „Entwurzelungserfahrungen“ unseres koreanischen Komponisten Yongbom Lee. In einer globalisierten Welt ist die Frage, woher man kommt, nicht mehr leicht zu beantworten und wird sogar mehr und mehr als problematisch betrachtet. Besonders schwierig wird es für Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe häufg mit dieser Frage konfrontiert werden und sich ständig für ihr eigenes Zugehörigkeitsgefühl rechtfertigen müssen, da sie von einer weißen Mehrheitsgesellschaf trotzdem einem „fremden“ Kulturkreis zugeschrieben werden, egal wo sie schlussendlich geboren wurden. Ihre persönlich empfundene Identität ist so stets fremdbestimmt.
–
Broken Frames Syndicate vereint 7 unterschiedliche Nationalitäten
Unterschiedlichste kulturelle Hintergründe trefen aufeinander und sind regelmäßig Thema, wenn wir zusammenarbeiten.
Um eine gemeinsame musikalische Stimme zu entwickeln, ist es notwendig, sich auf die bestehenden Unterschiede einzulassen, sich zuzuhören und individuelle Erfahrungen mit der Gruppe zu teilen. Dabei beschreiben unsere nichteuropäischen Mitglieder immer wieder ein surreales Gefühl der Entwurzelung und sprechen über ihre Suche nach der eigenen Identität in einer noch immer „fremden“ Umgebung.
Einen Fokus legen wir in diesem Konzert auf die Erfahrungen unserer asiatischen Freund:innen, deren Situation in der momentanen Rassismus- debate of unterbelichtet bleibt.
Unser Komponist Yongbom Lee:
"As a South-Korean composer living in Germany, I always had to struggle orienting myself. From the soundscape including the language to the daily foods, I spent many years adopting myself in Germany. Afer many years I could gradually admit being “displaced” and started to deconstruct the traditional meaning of one’s orientation.”
Für Komponist:innen ist die Frage der eigenen kulturellen Heimat sehr relevant. Seit vielen Jahrzehnten leben Komponist:innen in einer sogenannten „hyperkulturellen“ Gesellschaf und suchen nach einer eigenen Stimme in der Musik. Trotz oder gerade wegen ihrer Entwurzelung, verarbeiten sie bereitwillig Elemente aus den Orten, in denen sie aufgewachsen sind. Hier kommt es zu Konflikten, Versöhnung, Veränderung und Neudefinition.
–
Displacement wird unterstützt durch den Musikfonds, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch die Korean Artist Welfare Foundation.
Yongbom Lee – Dépaysement – 2018 | 2021
Dépaysement is a French word which refers to the feeling of disorientation that specifically arises when not being in one's home country. In surrealistic paintings, this term indicates a certain technique, disorienting object from where it belongs and composing paradoxical scenes. Often using this technique, surrealist painters achieved the transcendence of apparent contradiction and sought to overcome the repression of reason, to unleash the automatic and un-self-conscious dynamic of creativity. This concept of dépaysementlays throughout the piece not only on the abstract level but also on the audible level. Familiar sounds, which is often derived from harmonic materials are put together with colliding noises, making a contradictory sound sceneries. Exaggerated time stretch of a single tone or a chord is also to be heard as an example.
The feeling of disorientation has been for me personally very usual. It seems that this is even a general phenomenon of our society of today, feeling less oriented to anything which is preliminarily provided to one’s life.
Yaz Lancaster – intangible landscapes – 2020
"intangible landscapes" deals with the growing feelings of ennui and isolation I encounter[ed] living in New York over the past six years, and how perceived landscapes of memory shift, breathe and transform over periods of time. Many people I love no longer live here. I question whether a home is a tangible, real place, or if it exists in the intangibility and quiet intimacy of created and/or remembered landscapes that can only exist ephemerally.
Yonbom Lee – A Little Night Music – 2017; rev. 2021
"A Little Night Music" is a sound painting of my personal experience of surrealism in the dream at night. In this piece I used e.g., intimate harmonic materials, where this intimacy is alienated(verfremdet) by noise, distorting sounds and timelessness. This refers to my personal experiences in the dream at night, for example, where I confront objects or people I know in real life, but at the imaginary place in unusual and unfamiliar circumstances with strange context. These weird scenes pile up and eventually create a certain dramaturgy. Then it succeeds in convincing me to accept this as an alternatively existing small world. This piece is a drawing of one of these small worlds.
Yu Kuwabara – 7 studies about image – 2018
Yongbom Lee – Phonon – 2022
Jeden Tag sehen wir uns einer schier unfassbaren Anzahl kleiner und größter Katastrophen gegenüber. Spätestens die Nachrichten in Fernsehen und Radio — ganz zu schweigen von unseren Timelines auf Facebook und Co. — versorgen uns permanent mit Schreckensbildern und zeichnen ein äußerst düsteres Bild der Welt.
Kriege und Hungersnöte, Pandemie, die Folgen von sich häufenden Naturkatastrophen, Unrechtsregime … die Liste ließe sich unendlich fortführen.
All das macht Angst.
Angst vor dem Unbegreiflichen. Angst vor dem, was noch kommt. Angst, das Gewohnte zu verlieren.
Dabei wird der enorme Luxus, in einem Land wie Deutschland zu leben, offensichtlich.
Noch geht es uns sehr gut hier …
… doch was, wenn alles schlimmer wird? Was, wenn die Folgen des Klimawandels für neue Flutwellen sorgen? Was, wenn plötzlich die falschen Kräfte an die Macht kommen?
OHNMÄCHTIG ALLEINE SEIN.
Uns bleibt nur die Rolle der ohnmächtigen Beobachter:innen. Mit weit geöffneten Augen stehen wir letztlich alleine und ungläubig da – wie das erstarrte Reh im Scheinwerferlicht eines heranrasenden Autos.
WARUM LEGT IHR DEN FINGER IN DIE WUNDE?
Wir wurden gefragt, warum wir unsere Ängste zum Thema eines Konzertprogrammes machen. Müsste Musik nicht vielmehr Erfahrungen schaffen, die uns die Wirklichkeit für einen Moment vergessen machen? Sollte ein Konzert nicht einfach nur unterhaltsam sein?
Nein. Musik und Kunst soll und kann zum Nachdenken anregen. Wir wollen ansprechen, was uns selbst auf dem Herzen liegt, was uns bewegt und zeigen unserem Publikum:
Ihr seid nicht allein.
NIGHTMARE schafft dennoch eine Parallelwelt. Ähnlich wie Alice im Wunderland schlüpfen wir durch ein imaginäres Hasenloch, tauchen ein in eine schräge Albtraumwelt. Weit unten schlummert die Hoffnung, bald zu erwachen — dass am Ende doch alles nur ein Traum gewesen ist
Die performten Stücke sprechen über Vereinzelung und das Alleinsein, thematisieren den Albtraum und lassen uns immer wieder aufschrecken. Auf der Bühne konfrontieren wir uns mit unseren ganz eigenen, persönlichen Albträumen und lassen Zuhörer:innen daran teilhaben.
—
Moritz Schneidewendt
14.09.2021
Was, wenn jeder Traum zum Albtraum wird?
In der Regel erinnern sich die meisten Menschen in meinem Umfeld nicht an ihre Träume. Ich hingegen schon. Jede Nacht treffe ich viele Personen – manche kenne ich, viele nicht. Es ist, als säße ich die ganze Nacht in einem Kino und schaute einen Film nach dem anderen. Am nächsten Tag bin ich müde, verwirrt und gerädert. Häufig dauert es ein bis zwei Stunden nach dem Aufwachen, bis ich ziemlich schlecht gelaunt in der Realität ankomme. Viele Träume begleiten mich noch über den Tag hinweg, weil Bilder und Emotionen dieser Träume in meinem Gedächtnis hängen bleiben. Ich erinnere mich immer noch an Träume, die ich vor Jahren hatte. Vom freien Fall über Verfolgungsjagden bis hin zum Verlust geliebter Menschen und sogar erotische Träume ist alles dabei. Manche Träume sind der reinste Horror, die meisten jedoch zufällige und absurde Dinge, die, wenn ich versuche sie in Worte zu fassen, überhaupt keinen Sinn ergeben und in meinem Gedächtnis verblassen. Zurück bleibt am Morgen einzig das Gefühl der Verwirrung und der Überforderung als Folge überwältigender Bilder im Kopf. Manchmal bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich bestimmte Alltagssituationen geträumt habe oder ob sie sich tatsächlich ereignet haben.
Seit ungefähr 15 Jahren leide ich unter diesem Phänomen. Was macht das mit mir? Eigentlich sollte der Schlaf Erholung bringen. Er ist essenziell wichtig für unsere Gesundheit. Doch mein Schlaf und ich, wir sind Todfeinde. Er ist zu meinem größten Albtraum geworden. Schlafen ist für mich so anstrengend, dass ich Angst davor habe. Denn oft finde ich ihn erst gar nicht und bin nächtelang hellwach. Oder ich schlafe und die vielen Träume überwältigen mich. Schlafentzug und die fehlende Erholung treiben einen nach und nach in den Wahnsinn. Irgendwann habe ich einmal gelesen, dass Schlafentzug eine effektive Foltermethode ist. Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren eine Ahnung davon erhalten, wie es sich anfühlen kann. Gesunder Schlaf ist ein Luxusgut, das den meisten Menschen gar nicht bewusst ist. Sie empfinden es als eine Selbstverständlichkeit. Bis sie einmal schlecht schlafen! Dann ist das Gejammer groß. Aber was soll ich dazu sagen… Sorry Guys! WELCOME TO MY LIFE
—
Katrin Szamatulski
12.09.2021
↑
Die Erinnerung an "Zuhause" wird durch Klänge getriggert
Als professionelle Musiker:innen nehmen wir unsere Umwelt vor allem akustisch wahr – so wird auch die Erinnerung an „Zuhause“ vor allem durch spezifische Klänge getriggert. Der Klang unserer Heimatstädte hilft uns unterbewusst ständig, uns selbst zu verorten.
Um dieses Phänomen zu teilen, verbinden wir die Ensemblestücke des Programms "Displacement" durch elektroakustische Zwischenspiele. Für in Deutschland Lebende beginnt das Konzert mit vertrauten Klängen. Diese bekannte Soundscape wird im Laufe des Konzertes jedoch immer mehr angereichert mit Fieldrecordings und Alltagsklängen aus den Geburtsorten der Komponist:innen. Wir hören Aufnahmen aus Südkorea, Japan, und den USA.
Hört selbst! Wie hört sich euer Zuhause an?
Shibuya, Tokyo – Japan
Times Square, New York City – USA
Gangnam Street, Seoul – Süd Korea
Frankfurt – Deutschland
Warum vermissen wir unser Zuhause, wenn wir nicht dort sind?
Ist das Zuhause, das wir vermissen, ein bestimmter Ort oder ein abstraktes Gefühl?
Was soll "nicht zu Hause sein" bedeuten?
Kann ich mich „fremd“ in einer gewohnten Umgebung fühlen?
Was macht das „Sich fremd fühlen“ mit mir?
"Displacement" ist ein sehr persönliches Programm und wurde von unserem Komponsiten Yongbom sowie von unserer Cellistin Kyubin initiiert. Es ist ein erster musikalischer Annäherungsversuch an Themen wie Heimat, Zugehörigkeit und dem Gefühl des „Fremd-Seins“. „Heimat“ ist dabei nicht zwingend ein räumliches Phänomen. Das Gefühl der Zugehörigkeit bzw. des „displaced“-Seins ist komplex und kann ebenso unseren Platz in der Gesellschaf, unsere Spiritualität, ästhetische Vorlieben oder sexuelle Orientierung betrefen.
Ausgangspunkt hierfür sind die „Entwurzelungserfahrungen“ unseres koreanischen Komponisten Yongbom Lee. In einer globalisierten Welt ist die Frage, woher man kommt, nicht mehr leicht zu beantworten und wird sogar mehr und mehr als problematisch betrachtet. Besonders schwierig wird es für Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe häufg mit dieser Frage konfrontiert werden und sich ständig für ihr eigenes Zugehörigkeitsgefühl rechtfertigen müssen, da sie von einer weißen Mehrheitsgesellschaf trotzdem einem „fremden“ Kulturkreis zugeschrieben werden, egal wo sie schlussendlich geboren wurden. Ihre persönlich empfundene Identität ist so stets fremdbestimmt.
–
Broken Frames Syndicate vereint 7 unterschiedliche Nationalitäten
Unterschiedlichste kulturelle Hintergründe trefen aufeinander und sind regelmäßig Thema, wenn wir zusammenarbeiten.
Um eine gemeinsame musikalische Stimme zu entwickeln, ist es notwendig, sich auf die bestehenden Unterschiede einzulassen, sich zuzuhören und individuelle Erfahrungen mit der Gruppe zu teilen. Dabei beschreiben unsere nichteuropäischen Mitglieder immer wieder ein surreales Gefühl der Entwurzelung und sprechen über ihre Suche nach der eigenen Identität in einer noch immer „fremden“ Umgebung.
Einen Fokus legen wir in diesem Konzert auf die Erfahrungen unserer asiatischen Freund:innen, deren Situation in der momentanen Rassismus- debate of unterbelichtet bleibt.
Unser Komponist Yongbom Lee:
"As a South-Korean composer living in Germany, I always had to struggle orienting myself. From the soundscape including the language to the daily foods, I spent many years adopting myself in Germany. Afer many years I could gradually admit being “displaced” and started to deconstruct the traditional meaning of one’s orientation.”
Für Komponist:innen ist die Frage der eigenen kulturellen Heimat sehr relevant. Seit vielen Jahrzehnten leben Komponist:innen in einer sogenannten „hyperkulturellen“ Gesellschaf und suchen nach einer eigenen Stimme in der Musik. Trotz oder gerade wegen ihrer Entwurzelung, verarbeiten sie bereitwillig Elemente aus den Orten, in denen sie aufgewachsen sind. Hier kommt es zu Konflikten, Versöhnung, Veränderung und Neudefinition.
–
Displacement wird unterstützt durch den Musikfonds, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie durch die Korean Artist Welfare Foundation.
Yongbom Lee – Dépaysement – 2018 | 2021
Dépaysement is a French word which refers to the feeling of disorientation that specifically arises when not being in one's home country. In surrealistic paintings, this term indicates a certain technique, disorienting object from where it belongs and composing paradoxical scenes. Often using this technique, surrealist painters achieved the transcendence of apparent contradiction and sought to overcome the repression of reason, to unleash the automatic and un-self-conscious dynamic of creativity. This concept of dépaysementlays throughout the piece not only on the abstract level but also on the audible level. Familiar sounds, which is often derived from harmonic materials are put together with colliding noises, making a contradictory sound sceneries. Exaggerated time stretch of a single tone or a chord is also to be heard as an example.
The feeling of disorientation has been for me personally very usual. It seems that this is even a general phenomenon of our society of today, feeling less oriented to anything which is preliminarily provided to one’s life.
Yaz Lancaster – intangible landscapes – 2020
"intangible landscapes" deals with the growing feelings of ennui and isolation I encounter[ed] living in New York over the past six years, and how perceived landscapes of memory shift, breathe and transform over periods of time. Many people I love no longer live here. I question whether a home is a tangible, real place, or if it exists in the intangibility and quiet intimacy of created and/or remembered landscapes that can only exist ephemerally.
Yonbom Lee – A Little Night Music – 2017; rev. 2021
"A Little Night Music" is a sound painting of my personal experience of surrealism in the dream at night. In this piece I used e.g., intimate harmonic materials, where this intimacy is alienated(verfremdet) by noise, distorting sounds and timelessness. This refers to my personal experiences in the dream at night, for example, where I confront objects or people I know in real life, but at the imaginary place in unusual and unfamiliar circumstances with strange context. These weird scenes pile up and eventually create a certain dramaturgy. Then it succeeds in convincing me to accept this as an alternatively existing small world. This piece is a drawing of one of these small worlds.
Yu Kuwabara – 7 studies about image – 2018
Yongbom Lee – Phonon – 2022
Jeden Tag sehen wir uns einer schier unfassbaren Anzahl kleiner und größter Katastrophen gegenüber. Spätestens die Nachrichten in Fernsehen und Radio — ganz zu schweigen von unseren Timelines auf Facebook und Co. — versorgen uns permanent mit Schreckensbildern und zeichnen ein äußerst düsteres Bild der Welt.
Kriege und Hungersnöte, Pandemie, die Folgen von sich häufenden Naturkatastrophen, Unrechtsregime … die Liste ließe sich unendlich fortführen.
All das macht Angst.
Angst vor dem Unbegreiflichen. Angst vor dem, was noch kommt. Angst, das Gewohnte zu verlieren.
Dabei wird der enorme Luxus, in einem Land wie Deutschland zu leben, offensichtlich.
Noch geht es uns sehr gut hier …
… doch was, wenn alles schlimmer wird? Was, wenn die Folgen des Klimawandels für neue Flutwellen sorgen? Was, wenn plötzlich die falschen Kräfte an die Macht kommen?
OHNMÄCHTIG ALLEINE SEIN.
Uns bleibt nur die Rolle der ohnmächtigen Beobachter:innen. Mit weit geöffneten Augen stehen wir letztlich alleine und ungläubig da – wie das erstarrte Reh im Scheinwerferlicht eines heranrasenden Autos.
WARUM LEGT IHR DEN FINGER IN DIE WUNDE?
Wir wurden gefragt, warum wir unsere Ängste zum Thema eines Konzertprogrammes machen. Müsste Musik nicht vielmehr Erfahrungen schaffen, die uns die Wirklichkeit für einen Moment vergessen machen? Sollte ein Konzert nicht einfach nur unterhaltsam sein?
Nein. Musik und Kunst soll und kann zum Nachdenken anregen. Wir wollen ansprechen, was uns selbst auf dem Herzen liegt, was uns bewegt und zeigen unserem Publikum:
Ihr seid nicht allein.
NIGHTMARE schafft dennoch eine Parallelwelt. Ähnlich wie Alice im Wunderland schlüpfen wir durch ein imaginäres Hasenloch, tauchen ein in eine schräge Albtraumwelt. Weit unten schlummert die Hoffnung, bald zu erwachen — dass am Ende doch alles nur ein Traum gewesen ist
Die performten Stücke sprechen über Vereinzelung und das Alleinsein, thematisieren den Albtraum und lassen uns immer wieder aufschrecken. Auf der Bühne konfrontieren wir uns mit unseren ganz eigenen, persönlichen Albträumen und lassen Zuhörer:innen daran teilhaben.
—
Moritz Schneidewendt
14.09.2021
Was, wenn jeder Traum zum Albtraum wird?
In der Regel erinnern sich die meisten Menschen in meinem Umfeld nicht an ihre Träume. Ich hingegen schon. Jede Nacht treffe ich viele Personen – manche kenne ich, viele nicht. Es ist, als säße ich die ganze Nacht in einem Kino und schaute einen Film nach dem anderen. Am nächsten Tag bin ich müde, verwirrt und gerädert. Häufig dauert es ein bis zwei Stunden nach dem Aufwachen, bis ich ziemlich schlecht gelaunt in der Realität ankomme. Viele Träume begleiten mich noch über den Tag hinweg, weil Bilder und Emotionen dieser Träume in meinem Gedächtnis hängen bleiben. Ich erinnere mich immer noch an Träume, die ich vor Jahren hatte. Vom freien Fall über Verfolgungsjagden bis hin zum Verlust geliebter Menschen und sogar erotische Träume ist alles dabei. Manche Träume sind der reinste Horror, die meisten jedoch zufällige und absurde Dinge, die, wenn ich versuche sie in Worte zu fassen, überhaupt keinen Sinn ergeben und in meinem Gedächtnis verblassen. Zurück bleibt am Morgen einzig das Gefühl der Verwirrung und der Überforderung als Folge überwältigender Bilder im Kopf. Manchmal bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich bestimmte Alltagssituationen geträumt habe oder ob sie sich tatsächlich ereignet haben.
Seit ungefähr 15 Jahren leide ich unter diesem Phänomen. Was macht das mit mir? Eigentlich sollte der Schlaf Erholung bringen. Er ist essenziell wichtig für unsere Gesundheit. Doch mein Schlaf und ich, wir sind Todfeinde. Er ist zu meinem größten Albtraum geworden. Schlafen ist für mich so anstrengend, dass ich Angst davor habe. Denn oft finde ich ihn erst gar nicht und bin nächtelang hellwach. Oder ich schlafe und die vielen Träume überwältigen mich. Schlafentzug und die fehlende Erholung treiben einen nach und nach in den Wahnsinn. Irgendwann habe ich einmal gelesen, dass Schlafentzug eine effektive Foltermethode ist. Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren eine Ahnung davon erhalten, wie es sich anfühlen kann. Gesunder Schlaf ist ein Luxusgut, das den meisten Menschen gar nicht bewusst ist. Sie empfinden es als eine Selbstverständlichkeit. Bis sie einmal schlecht schlafen! Dann ist das Gejammer groß. Aber was soll ich dazu sagen… Sorry Guys! WELCOME TO MY LIFE
—
Katrin Szamatulski
12.09.2021
↑